Rechtsblog BGH präzisiert Rechtsprechung zum Anspruch auf Entschädigung für nutzlose Urlaubszeit
Anspruch auf Entschädigung für nutzlose Urlaubszeit
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BGH präzisiert Rechtsprechung zum Anspruch auf Entschädigung für nutzlose Urlaubszeit

Der Reisende muss vermehrt feststellen, dass die von ihm gebuchte Unterkunft auf Grund von Überbuchungen nicht zur Verfügung gestellt wird. Im Falle einer Malediven-Reise – mit der Besonderheit verschiedener Urlaubsinseln – hat der BGH nunmehr bemerkenswerte Klarstellungen vorgenommen (BGH 11.1.05, X ZR 118/03, Abruf-Nr. 050084).

Sachverhalt

Die Kläger buchten und bezahlten bei der beklagten Reiseveranstalterin eine Reise auf die Malediven. Eine Woche vor dem vereinbarten Reisebeginn teilte die Beklagte mit, dass das gewählte Hotel überbucht sei, und bot ein Ausweichquartier auf einer anderen Malediven-Insel an. Die Kläger nahmen das Ersatzangebot nicht an. Sie kündigten den Reisevertrag und verlangten eine Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit.

Bisherige Grundsätze

Der BGH hat zunächst die Grundsätze zur Darlegung der Anspruchsvoraussetzungen des § 651f Abs. 2 BGB zusammengefasst (BGH NJW 83, 35):

  • Nicht nur Mängel der Reise, sondern auch die vollständige Nichterbringung der vertraglich geschuldeten Leistung können Ansprüche nach § 651f Abs. 2 BGB begründen. Umstände, die die gesamte Reise oder Einzelleistungen wie die Beförderung oder Unterbringung ganz oder teilweise unmöglich machen, verhindern oder mindern den nach dem Vertrag vorausgesetzten Nutzen der Reise und werden daher vom reisevertraglichen Gewährleistungsrecht erfasst.
  • Der Reiseveranstalter ist nicht berechtigt, den Reisenden ohne seine Zustimmung an einem anderen als dem vertraglich vorgesehenen Urlaubsort unterzubringen.
  • Eine Vereitelung der Reise i.S. des § 651f Abs. 2 BGB ist anzunehmen, wenn der gegen seinen Willen an einem anderen Urlaubsort untergebrachte Reisende die Reise alsbald abbricht.

Neue Grundsätze

Um den streitgegenständlichen Sachverhalt bewerten zu können, sind nachstehende ergänzende Beurteilungen des BGH erfolgt:

  • Eine Vereitelung der Reise liegt auch vor, wenn der Reisende wegen eines vertragswidrig vorgesehenen Wechsels des Urlaubsorts schon den Antritt der Reise ablehnt.
  • Einer zusätzlichen Kündigung bedarf es nicht, da nach dem Wortlaut des § 651f Abs. 1, 2 BGB der Anspruch „unbeschadet der Minderung oder Kündigung“ besteht. Es können also verschiedene Gewährleistungsansprüche nebeneinander geltend gemacht werden.
  • Es kommt daher nicht darauf an, ob die Unterschiede des gebuchten und des ersatzweise vorgesehenen Urlaubsorts nach § 651e BGB erheblich beeinträchtigt sind. Diese Voraussetzungen gelten nur für eine Kündigung nach § 651e BGB, nicht aber für einen Entschädigungsanspruch wegen Vereitelung der Reise. Dies war bereits ständige Rechtsprechung (OLG Düsseldorf NJW-RR 89, 1078; OLG Frankfurt a.M., RRa 95, 224).
  • Der Reiseveranstalter muss darlegen und ggf. beweisen, dass die Ablehnung eines Ersatzangebots gegen Treu und Glauben verstößt, insbesondere die Beweggründe des Reisegasts nicht in dem Unterschied der beiden Reiseleistungen lagen.
  • Die Frage, ob ein Rechtsmissbrauch auch anzunehmen ist, wenn das Ersatzobjekt gleichwertig ist, wurde nicht entschieden. Für die Beurteilung der Gleichwertigkeit sind nicht nur die objektiven Verhältnisse, sondern auch subjektive Wünsche des Reisenden maßgeblich.
  • Für die Entschädigung nach § 651f Abs. 2 BGB ist unerheblich, wie der Kunde die für die Reise vorgesehene Zeitspanne verbracht hat. Eine Entschädigung ist allein dafür geboten, dass er seine Urlaubszeit nicht so wie gebucht und vertraglich vorgesehen verbringen kann. Demnach beeinträchtigen weder eine Weiterarbeit noch ein Ersatzurlaub den Entschädigungsanspruch nach § 651f Abs. 2 BGB. Bislang war diese Rechtsmeinung streitig. Der BGH hat klargestellt, dass das durch eigene Initiative schadensmindernde Verhalten des Reisenden, zu welchem er nicht verpflichtet war, weder bei der Schadensberechnung noch im Wege der Vorteilsausgleichung anzusetzen ist. Bei der Beurteilung wird auf den Grundsatz abgestellt, dass überpflichtmäßige Anstrengungen des Geschädigten den Schädiger nicht entlasten sollen.
  • Für die Berechnung der Entschädigung nach § 651f Abs. 2 BGB ist auf Grund des immateriellen Charakters des Anspruchs nicht auf das Arbeitseinkommen abzustellen. Der Reisepreis kann als Bemessungskriterium herangezogen werden. Ob weitere Maßstäbe zulässig und insbesondere feste Tagessätze verwendet würden dürfen, wurde nicht entschieden. An der bisherigen Rechtsprechung, dass sowohl das Nettoeinkommen als auch der Reisepreis zu berücksichtigen sind (BGH NJW 83, 35; NJW 83, 218), hält der BGH in der Konsequenz nicht fest .
  • Ein Resterholungswert (Balkonurlaub) ist nicht anzusetzen, da der Erholungswert eines häuslichen Urlaubs auf der zu Hause genossenen Freizeit beruht. Diese ist aber nicht zu entschädigen, sondern der Gewinn, welchen sich der Kunde mit der Reise verspricht. Auch insoweit wird die bisherige Rechtsprechung (BGH NJW 83, 35) nicht aufrechterhalten. Einige Gerichte hatten bereits in diese Richtung entschieden (AG Hamburg RRa 00, 188).

Im Ergebnis ist das Urteil des BGH als verbraucherfreundlich zu bezeichnen, da bei der Frage, ob bei einer Überbuchung eine Ersatzunterkunft zu akzeptieren ist, auf subjektive Gesichtspunkte abgestellt wird, eine Weiterarbeit oder einer Ersatzreise den Entschädigungsanspruch nicht beeinträchtigen und auch keine Kürzung wegen eines Resterholungswerts erfolgt.

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